4 Berufsgruppen, die während der WM besonders viel zu tun haben

from Corina
20.11.2019

Nachwuchs-Fußballtrainer*innen

Zahlreiche Väter melden ihre Kinder noch während der Halbzeitpause beim Fußballverein an. Alex W. (steht an dieser Stelle symbolisch, für jede*n beliebige*n örtlichen Fußballtrainer*in) erreichen in den WM-Wochen ein Maximum an Anmeldezahlen. Alex W. erklärt sich dieses Phänomen vor allem durch 1.) die offensichtliche Ohnmacht vor dem Fernseher sitzender Väter, die nach 90 Min Spielzeit resigniert feststellen, dass sie mit ihrem Geschrei das Spiel irgendwie doch nicht wirklich beeinflussen können. Aber die eigenen Kinder, die werden von Anfang an alles richtig machen!

Hinzu scheint laut Alex W. 2.) eine abgewandelte Form des “Kindermodel”-Effekts (was ich selbst nie erreicht habe, soll mein Kind jetzt für mich erreichen) kombiniert mit 3.) “die Idioten bekommen so viel Geld und schaffen es trotzdem nicht ein verdammtes Tor zu schießen” zu kommen, was den väterlichen Entschluss bestärkt und den Anmeldeprozess extrem beschleunigt. An dieser Stelle wird erfreulicherweise kein Unterschied zwischen Junge, Mädchen, eigenen Kindern, ausgeliehenen Kindern oder Haustieren gemacht. Alles wird angemeldet. Sofort!

Alex W. blickt trotz einer kurzfristig situationsbedingten Überforderung der Zukunft und seiner Karriere als örtlicher Fußballtrainer zuversichtlich ins Auge. Jetzt ist erstmal Sommerpause. Anfang September werden die Kuchen-Wunsch-Listen für die wöchentlichen Samstagsspiele an alle übermotivierten Fußballmütter und Väter (!!!) ausgeschickt und dann wird weiter geschaut. Step by Step.

Trikotproduzent*innen/Verkäufer*innen

An dieser Stelle meinen wir nicht die Deutschland-Trikots. Gegen hohe Verkaufszahlen spricht hier - neben dem doch recht frühzeitigen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft aus der WM - außerdem gegenwärtige Mode-Strömungen, vorrangig junger Bevölkerungsgruppen, called “Streetware”. Wer sich dieser Modebewegung angeschlossen hat, braucht kein Geld in Fankleidung zu investieren. Ein DIY YouTube-Video reicht, um den Alltagslook (Weißes T-Shirt, locker in die schwarze Adidas Trainingshose gesteckt - Trainingshose wiederum lässig in Adidas Socken gesteckt - Socken wiederum bis zu den Knie hochgezogen) in ein lässig wirkendes WM-Outfit zu verwandeln.

Das Zusammentreffen herkömmlicher Fans und modebewusster Jünglinge setzt witzige Prozesse in Gang: Durch das Unvermögen der Fußballfans den "coolen Look" von einem Fan-Outfit unterscheiden zu können wird ungewollt das ein oder andere “cool Kid” in die Fan-Masse gezogen und mit indianerähnlichen Streifen als “der Masse zugehörig” markiert. Einzig und alleine die schräg umgehängte Bauchtasche und die gestreiften Badelatschen unterscheiden sie nunmehr von den konventionell eingefleischten Deutschland-Fans.

Der Trikot-Gewinner der WM 2018? Eindeutig das Dress der nigerianischen Nationalmannschaft. Der Hype um das Fußball-Outfit im Retro-Vintage-Retro-Vintage-Design äußerte sich in einem Massenansturm auf den Online-Store, bei dem das Trikot innerhalb von wenigen Minuten ausverkauft war. Millionenfache Vorbestellungen setzten nicht nur Produzent*innen unter Druck - auch die Geschäfte wurden regelrecht von Fans überrannt, Verkäufer*innen mussten Überstunden machen.

Allerdings wurden auch hier bereits kritische Stimmen laut: Verschwörungstheoretiker*innen sehen in dem grünen Zickzack-Muster den manipulativen Einsatz einer optischen Täuschung, die die Gegenspieler und den Schiedsrichter willentlich außer Gefecht setzen soll. Engagierte Mitglieder der Facebookgruppe “Make Patriarchat Great Again” initiieren unter dem Hashtag #mentoo einen Trikot-Shitstorm. Grund dafür: Die eindeutige Pfeilrichtung hin zu gewissen männlichen Körperteilen und damit verbundene Darstellung des Mannes als Sexobjekt.

(*hierbei handelt es sich um frei erfundene Inhalte, die so - oder so ähnlich - vielleicht irgendwann in der Zukunft möglicherweise eventuell eintreten könnten)

Chorleiter*innen

Nicht unbedingt die naheliegendste Berufsgruppe sind die Chorleiter*innen. Was für aufmerksame Public-Viewing-Massen-Betrachter*innen selbsterklärend zu sein scheint, sei hier in wenigen Sätzen kurz erklärt: Für die mutigsten aller Chorleiter*innen bedeutet die WM-Zeit: Jagdzeit. Talentscouting ist angesagt. Hauptziel der Jagdzüge: Den ansonsten männlich eher unterbesetzten Bezirks-Chor durch eine Vielzahl harmonisch abgestimmter “Ohhhhs, Ahhhss” und die lange gezogenen und mit schmerzhaftem Gesichtsausdruck versehenen “Uhhhhhs” (wenn auch der unempathischste Mann beobachten muss, wie ein Spieler den Ball in seine Weichteile bekommt) Männerstimmen zu erweitern. Potentielle Sänger werden unmittelbar sofort rekrutiert. Bevorzugt wird natürlich, wer die Nationalhymne in verschiedenen Sprachen singen kann oder einfach nur im Takt dazu klatscht.

Abzuwarten bleibt, ob sich besagter gesanglicher Effekt auch auf außerfußbaliche Szenarien übertragen lässt, denn diese emotionsgeladenen Zustände kommen ja nicht von irgendwoher. Vorreiter in Sachen Männergesang plädieren deshalb für die Montage großflächiger Leinwände hinter dem Publikum, auf dem in Dauerschleife in Slow-Motion die Top 10 der “Ahhh” “Ohhh” “Uhhh” WM-Momente-2018 abgespielt werden, um die Männer in die passende emotionale Stimmung zu versetzen.

Zoolog*innen

Genauer gesagt: Ornithologen*innen. Nein, das hat nichts mit Ohren oder harnableitenden Organen zu tun. So nennt man Mensch, die Ahnung von Vögeln haben (“haha, die haben vögeln geschrieben”). Aber was zum Kuckuck hat denn jetzt Bitteschön so ein Mensch mit Fußball zu tun?

Ornitholog*innen kommen da ins Spiel: Wo sich der offensichtlich sowieso schon sehr gestresste Schiedsrichter nicht auf seinen Linienrichter verlassen kann, das Warten auf den berüchtigten Videobeweis (Uhhh, diese Technik überall) einer Spielunterbrechung bzw. -verlängerung von mindestens 10 Minuten führt und Fußballfans plötzlich anfangen müssen sich miteinander zu unterhalten oder anhaltend hochkonzentriert auf die Leinwand starren, obwohl absolut nichts passiert. An dieser Stelle könnte besagte*r Ornitholog*in ganz einfach feststellen, ob es sich bei dem äußerst dramatischen Niedergang von Spieler Nummer 7 um eine Schwalbe handelt oder nicht.

Schwalbenarme Spielphasen kann er*sie nutzen, um im Zuge seiner*ihrer eigenen Forschungsinteressen unter der den ganzen komische Vögeln im Publikum die ein oder andere bisher unentdeckte Spezies auf der gegenüberliegenden Tribüne zu entdecken.

Last but not least: Anderen einen Vogel zeigen? Geht gar nicht! Auch nicht beim Fussball. In diesem Sinne: Auf viele weitere tolle Spiele.