Doris Täubel-Weinreich
Richterin
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Stadt
Wien
“Es ist nie fad. Man versucht herauszufinden, wo die Wahrheit liegt, indem man sich die subjektiven Wahrnehmungen anhört.“ Als Richterin im Bezirksgericht Innere Stadt Wien ist Doris Täubel-Weinreich mit vielen unterschiedlichen Menschen und Situationen konfrontiert. Sie ist für Familienrechtsangelegenheiten zuständig, das heißt sie entscheidet, wer im Falle einer Scheidung das Sorgerecht bekommt oder schlichtet Streitigkeiten bezüglich Verlassenschaften. “Man braucht eine große soziale Kompetenz und Selbstorganisation.“

Transkript

Drei Ratschläge an Dein 14jähriges Ich...?

3 Ratschläge an dein 14-jähriges Ich ... Mein Traum war, glaube ich, seit ich 16 war, dass ich gerne Richterin werden wollte. Weil mich einfach diese Tätigkeit sehr interessiert und weil ich das sehr spannend finde. Das hat bei mir geklappt, das ist halt ein Glücksfall. Prinzipiell würde ich sagen, dass es ganz wichtig ist, dass man seine Stärken kennenlernt und die betont. Das würde ich allen gerne ins Stammbuch schreiben. Und das andere, was mir sehr wichtig ist, ist, dass man, weil die Berufswelt doch ein bissel stressig ist und eigentlich immer stressiger wird, dass man irgendwas findet, was einem wirklich Spaß und Freude und Ausgleich bedeutet. Bei mir sind das die Pferde und das ist so ein Hobby, was man ein Leben lang machen kann und wo man sich wirklich entspannt und auch weg von den Gedanken an die Arbeit kommt.

Was steht auf Deiner Visitenkarte?

Was steht auf deiner Visitenkarte? Auf meiner Visitenkarte steht: Mag. Doris Täubel-Weinreich, Richterin des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien.

Was ist das Coolste an Deinem Job?

Was ist das coolste an deinem Job? Das Coolste an meinem Job ist, dass es sehr sehr verschieden ist. Es ist nie fad. Man lernt so viele Leute kennen und man versucht ja zu durchschauen, was war wirklich. Die Leute erzählen ihre subjektive Wahrheit und da muss man entscheiden: Wer lügt mehr? Weil meistens ist die Wahrheit so in der Mitte und das ist aber sehr spannend. Man lernt sehr viele unterschiedliche Leute kennen - ganz reiche, ganz arme, mit Migrationshintergrund, Adelige und das ist schon sehr spannend und das macht mir sehr viel Freude. Und der andere große Vorteil ist, dass man sehr selbstständig in der Arbeit ist. Wir haben eigentlich überhaupt keine Dienstzeit. Das heißt, man kann sich das wirklich einteilen wenn man sagt man macht die Verhandlung in drei Wochen, dann macht man sie in drei Wochen. Wenn man sagt, man macht sie in sechs Wochen, macht man sie in sechs Wochen, und da ist es glaub ich ein großer Vorteil, weil man da nicht so unmittelbar einen Chef hat, der sagt ‘du musst an dem Tag das verhandeln’. Das kann man sehr selbstständig festsetzen.

Welche Einschränkungen bringt Dein Job mit sich?

Welche Einschränkungen bringt der Job mit sich? Die Kehrseite von diesem selbstständig sein ist, dass man wenig Lob bekommt. Also da ist eigentlich niemand der sagt ‘das hast du gut gemacht’. Man muss diese Motivation langfristig, rasch, zügig, gut zu arbeiten aus sich selbst herausholen. Es gibt eine Instanz, die sagt, ob das rechtlich richtig war, aber die sieht dann nicht, wie war ich in der Verhandlung, habe ich die Parteien so heißt das bei uns, gut behandelt oder nicht. Das ist, glaube ich, etwas, was manchmal vielleicht ganz schwierig ist auf Dauer, dass man sich selbst motiviert.

Worum geht es in Deinem Job?

Worum geht's in deinem Job? Ich bin eben Richterin am Bezirksgericht Innere Stadt Wien für Familienrechtssachen. Das heißt, ich entscheide, wer die Kinder bekommt letztendlich, wenn man keine Lösung findet. Dann ist auch eine andere Sache im Scheidungsverfahren: Wer ist Schuld, dass die Ehe kaputt ist? Und dann mach ich auch noch Sachwalterschaftssachen, das heißt: Braucht jemand Unterstützung durch einen Sachwalter? Da muss ich auch in Spitäler gehen und alte Leute besuchen und schauen, ob sie dement sind, ob sie ihre Sachen noch selber erledigen können, und dann bin ich auch noch zuständig für Streitigkeiten in Verlassenschaften. Also wenn die Erben untereinander streiten, welches Testament gültig ist. Das ist jetzt meine Aufgabe, es gibt aber auch ganz viele andere Richter, die andere Tätigkeiten haben. Aber meine ist eben besonders nah an den Menschen dran. Man sieht die Richter immer so im Verhandlungssaal. Die Verhandlungstätigkeit ist aber nur eine Tätigkeit, weil man muss das Ganze vorbereiten. Man muss sich überlegen, welche Zeugen brauche ich, dann liest man eben diese Schriftsätze durch, die die Parteien vorher dem Gericht schicken, und dann gibt es auch noch viele andere Dinge. Dass man einen Dolmetscher vielleicht braucht oder sich überlegt, welchen Sachverständigen brauche ich. Gerade bei Kindern holen wir viele kinderpsychologische Gutachten ein und das ist schon sehr spannend, was sozusagen ein Psychologe dann sagt, wo ein sehr kleines Kind die bessere Bindung hat. Da werden so Tests gemacht. Das lesen auch Richter mit großem Interesse, was da rauskommt. Und da passierts halt manchmal, das sind die schwierigen Fälle, wo dann in unterschiedlichen Zeiträumen immer wieder so Gutachten eingeholt werden, und die zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Einmal sagt einer ‘die Mutter ist super geeignet’, dann kommt der Nächste und sagt ‘der Papa ist eigentlich besser geeignet’. Da muss man dann immer schauen, was tut man mit solchen Ergebnissen - holt man dann noch ein drittes Gutachten ein? Das sind wirklich schwierige Fragen, weil da geht es um das Schicksal von einem Kind wo wächst das Kind auf, bei Mama oder bei Papa? Oder kann man es so machen: Eine Woche da, eine Woche dort? Das ist jetzt auch eine Möglichkeit, aber natürlich, wenn die Eltern sehr stark streiten, ist das wahrscheinlich keine gute Lösung. Die Verhandlungen laufen bei mir oft sehr emotional, weil es da eben um sehr viel Emotionen geht. Entweder, weil eine Ehe kaputt ist, also einer hat den anderen betrogen und dann fließen auch oft Tränen im Verhandlungssaal. Es ist nicht so, dass das halt irgendeine Sache ist, sondern da gehts wirklich um die Zukunft oder um die Vergangenheit und da sind wirklich sehr viele Emotionen dabei. Manchmal gelingt es aber trotzdem, mit den Leuten eine Lösung zu erarbeiten, das heißt dann bei Gericht ‘Vergleich’. Dann ist das Verfahren zu Ende, mit einem Vergleich. Oder man findet halt keine Lösung und man hört sich die ganzen Zeugen an holt Gutachten ein, und dann muss man eine Entscheidung schreiben. Entweder einen Beschluss, oder ein Urteil, und da sitzt man dann schon relativ lange, weil da hat man dann einen dicken Akt, und dann muss man schauen: Wie werte ich die Aussagen der Zeugen, wem glaube ich mehr, wem glaube ich weniger? Das muss ich dann alles in meiner Entscheidung begründen, damit das auch für die Instanz zum Beispiel nachvollziehbar ist.

Wie sieht Dein Werdegang aus?

Wie schaut dein Werdegang aus? Ich bin in Wien geboren, habe ganz normal die Volksschule gemacht vier Jahre acht Jahre Gymnasium, dann habe ich Jus studiert, weil ich immer schon Richterin werden wollte. Während des Studiums habe ich bereits als Rechtshörerin ein Praktikum gemacht, da bekommt man nichts gezahlt, aber kann so ein bisschen Gerichtsluft schnuppern und schauen, wie das dort abläuft. Und dann nach dem Studium machen ganz viele Juristen das Gerichtsjahr, und da muss man dann diese Übernahmeprüfung machen, wo es darum geht, dass man Richteramtsanwärterin werden kann. Das ist im Strafrecht sowie im Zivilrecht, und wenn man das geschafft hat, ist man noch weitere drei Jahre Richteramtsanwärter, wo man verschiedene Sparten durchläuft, und dann macht man eine riesen Richterprüfung das ganze Studium auf einmal - und dann wird man zur Richterin ernannt. Das war bei mir am 01.06.1998.

Ginge es auch ohne Deinen Werdegang?

Ginge es auch ohne deinen Werdegang? Entweder man macht die klassische Ausbildung zum Richter, eben nach dem Studium. Der andere Weg wäre, dass man die Rechtsanwaltsprüfung macht, als Rechtsanwalt arbeitet und da gibts dann schon manchmal die Möglichkeit, später in den Richterdienst zu wechseln. Das wäre die Alternative. Aber ein Jusstudium brauchts auf jeden Fall, weil ohne Jusstudium Richter sein geht halt nicht. Was man für den Job mitbringen muss, ist, glaube ich, eine große soziale Kompetenz. Dass man eben mit Menschen gerne redet, dass man versucht, herauszufinden, was die Wahrheit ist, und dann muss man sich auch gut selbst organisieren können. Das gehört auch dazu, dass man genau weiß, wo kann ich schnell was machen, welchen Akt mache ich zuerst? Das lernt man auch mit der Zeit, aber das ist sicher eine der großen Herausforderungen als Richter.

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